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Die Emanzipation der jüdischen Bevölkerung in Preußenvon Josef Theobald Die Emanzipation der jüdischen Bevölkerung in Preußen Im Rheinland (in Rheinpreußen), zu dem verwaltungsrechtlich auch das Saarrevier gehörte, wohnten um 1865 33.388 [1] und im Jahre 1900 52.251 [2] Juden. Ihr eigener Kampf um Gleichberechtigung war sehr langwierig. Denn erst 1803 wurde der Leibzoll aufgehoben, so dass ab 1808 eine allmähliche Emanzipation (preußisches Edikt vom März 1812) einsetzen konnte. [3] Dies war aber die Zeit des Niederganges des preußischen Staates infolge der Napoleonischen Kriege. In diesen Jahren hatte der Fürst Karl August von Hardenberg (1750-1822) [4] versucht, Ordnung in die zerrütteten Staatsgeschäfte zu bekommen und drang deshalb auf Beseitigung dieser Zustände und auf gesetzliche Regelungen, die auch eine entschiedene Einbürgerung der Juden vorsahen, da- mit dem verstümmelten, blutenden und verarmten Ländchen durch den innigen Anschluss der Juden an das Staatswohl neue Kräfte zugeführt würden, die es unter den traurigen Umständen der tiefen Gesunkenheit nicht entbehren konnte. [5] Doch zögerte der König Friedrich Wilhelm III. immer wieder mit der Unterzeichnung. Erst nach dem Tode seiner beweinten Gemahlin Luise, Königin von Preußen [6], wo auch unter der jüdischen Bevölkerung viel Anteil- nahme entgegengebracht wurde, genehmigte dieser am 11. März 1812, am Tage nach Errichtung der Luisenstiftung (Geburtstag der Königin Luise am 10. März) die Gleichberechtigung aller „in den preußischen Ländern damals sich befindlichen eingesessenen Juden“ mit den dort lebenden christlichen Bewohnern. Sie sollten auch zu akademischen, Lehr-, Schul- und Gemeindeämtern zuge- lassen werden; die Zulassung zu Staatsämtern behielt sich indes der König noch vor. [7] Nach mehrfachen Rückschritten (seit 1814 und nach 1848) konnte eine vollständige Emanzipation erst ab 1871 mit der Gesetzgebung des Deutschen Reiches durchgeführt werden. [3] Im französischen Lothringen galt die von König Ludwig XVI. am 13. November 1791 verkündete volle Gleichstellung der Juden. Es sollte nur auf die eingeräumten Privilegien verzichtet werden. Doch konnte die Judenfresserei nicht verstummen. Vor allem im Elsaß, wo während der Sturmjahre unter Robespierre viele Gegenden wegen Mangel an Ackergeräten regelrecht verarmten, wandten sich ehemalige Leibeigene wegen benötigter Geldmittel an die Juden, um sich als freie Bauern eine neue Existenz aufbauen zu können. Als jene aber später zu einem gewissen Wohlstande gekommen waren, forderten diese ihr Geld plus Zinsen wieder zurück. Den elsässischen Bauern fiel es nicht einfach, bares Geld aus ihren Äckern herauszuziehen, um nunmehr ihre jüdischen Gläubiger zu befriedigen, zumal in der Zeit, als Kaiser Napoleon Bonapartes Kriege die Arme der Bauern vom Pfluge weg zu den Waffen riefen. Dadurch häuften sich die Klagen gegen die Schuldner. Allein das Straßburger Handelsgericht soll hier in den Jahren 1802 – 1804 Schuld- prozesse zwischen jüdischen Gläubigern und christlichen Schuldnern in Höhe von insgesamt 800.000 Francs zu entscheiden gehabt haben. Die verschuldeten Bauern wurden verurteilt, ihre Felder und Weinberge den jüdischen Gläubigern zu überlassen. So benutzten viele Juden- feinde diese negative Stimmung für ihre Zwecke. So wurde alles versucht, allerdings ohne nachhaltigen Erfolg, um die errungene Gleichstellung der Juden in den elsässischen Gebieten wieder rückgängig zu machen. [8] In der Sache selbst wurde nur ein Zahlungsaufschub erreicht, indem die gerichtliche Verfolgung allgemein um ein Jahr ausgesetzt wurde. Nun zu Saarlouis. 1791 gehörten hier die Familien Cerf und Hayem Worms, beide erfolgreiche Armeeliferanten, zu den fünf reichsten in der Stadt. Die Familie Cerf zählt nach jüdischen Quellen zu den im Raum Elsaß-Lothringen vermögenden, rechtschaffenen und auch gebildeten Juden, die meistens vom Grundbesitz lebten. Ein Olry Hayem Worms war Adjunkt (einem Beamten beigeordneter Gehilfe) bei der Mairie von Paris. 1824 zählte die jüdische Gemeinde in Saarlouis 240 Juden, dazu kamen 16 aus Roden und 14 aus Lisdorf. 1895 wies die Innenstadt 239 jüdische Einwohner auf, in Roden lebten 85, in Fraulautern 45 und in Lisdorf 15 Juden. 1847 waren der Synagogengemeinde Saar- louis, Altforweiler, Differten, Lisdorf und Roden angeschlossen. 1903 bzw. 1904 kamen Felsberg, Fraulautern, Kerlingen und Schwalbach hinzu. 1903 erhielt die Gemeinde den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, der bis 1938 bestand. 1939 war die Synagogengemeinde als privat-rechtlicher Verein organisiert. Juden aus Saarlouis wurden ab 1755 in Dillingen bestattet; die Anlage des dortigen Friedhofs an der Grenze zu Diefflen erfolgte auf Betreiben der Saarlouiser Juden Cerf Worms, Hayem Worms und Elias Reutlinger, die sich verpflichteten, den hierfür notwendigen jährlichen Zins zu entrichten. Erst 1905 – 1907 wurde in Verlängerung des städtischen Friedhofs ein eigener jüdischer Friedhof in Saarlouis angelegt. Eine Synagoge, wohl ein Betsaal, lässt sich in Saarlouis um 1770 nachweisen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestand, wohl mit Genehmigung des Metzer Rabbiners, neben dem älteren Bethaus ein weiterer um 1802/03 eingerichteter Betsaal. Kurz nach der Gründung der Festungsstadt wurden 1685 zwei jüdische Familien zugelassen, darunter mindestens eine, die zuvor in Wallerfangen ansässig gewesen war. Von 1710 bis 1715 belieferte man die Armee mit Fleisch zu dem üblichen Marktpreis. [9]
Der jüdische Kaufmann betrachtete die Landwirtschaft und auch den Weinbau in dem Sinne, dass ihm gerade diese Einkommens- quellen die Möglichkeit schufen, den besonderen Anforderungen ritueller Lebensführung zu entsprechen. Der Überfluss an Fleisch, insbesondere jener Stücke, die nach den jüdischen Speisegesetzen nicht gegessen werden durften [10], wurden vor allem für den lokalen Markt verwertet, und der Wein, den man zu Hause nicht gebrauchte, ging meist mit als Ware auf die Geschäftsreise. Die Grundstücke der jüdischen Bevölkerung lagen fast durchweg am Rande der Wohnplätze, die in Anlage und Lebenszuschnitt schon durch die größere Dichtigkeit der Bevölkerung etwas vom städtischen Charakter bewahrt hatten. [11] Mit dem Einfluss des Nationalsozialismus wurde das pulsierende jüdische Leben jäh beendet. Die kulturelle Vielfalt blieb plötzlich auf der Strecke. An der Tagesordnung stand die systematische Vernichtung jüdischen Lebens. Josef Theobald ANMERKUNGEN [1] 1865 33,388 Juden [Lexikon: Rheinprovinz. Pierer's Universal-Lexikon, S. 180777 (vgl. Pierer Bd. 14, S. 110)] [2] 1900 52.251 Israeliten [Artikel: Rheinprovinz. Brockhaus' Kleines Kon- versations-Lexikon, S. 62951(vgl. Brockhaus-KKL5 Bd. 2, S. 527)]
[3] Doch wurde erst 1803 der Leibzoll aufgehoben, und erst seit 1808 erfolgte ihre allmähliche Emanzipation (preuß. Edikt vom 11. März 1812), die nach mehrfachen Rückschritten (seit 1814 und nach 1848) durch die Gesetzge- bung des Deutschen Reichs (seit 1871) durchgeführt ist. [Artikel: Juden. Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, S. 35617/18 (vgl. Brockhaus- KKL5 Bd. 1, S. 907)] [4] Hardenberg, Karl Aug., Fürst von, preuß. Staatsmann, geb. 31. März 1750 zu Essenrode im Hannoverschen, 1778-82 im hannov., dann im braunschw. Staats- dienste, 1790 Minister des Markgrafen von Ansbach-Bayreuth, 1791 zugleich preuß. Staatsminister, schloß 1795 in Basel den Frieden mit Frankreich, 1798 Kabinettsminister in Berlin, 1804-5 an Haugwitz' Stelle und wiederum 1807 Minister des Auswärtigen, erst jetzt entschiedener Gegner Napoleons. Nach Steins Rücktritt 1810 Staatskanzler, führte er im Innern die großen Reformen im Geiste Steins durch (Steuerreform, Gewerbefreiheit, Bauernbefreiung u.a.), 1814 zum Fürsten und Standesherrn von Neuhardenberg erhoben, wirkte seit 1815 vergebens für Einführung einer Volksvertretung, gest. 26. Nov. 1822 zu Genua. »Denkwürdigkeiten«, hg. von Ranke, mit Biographie (5 Bde., 1877). [Artikel: Hardenberg. Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, S. 30107 (vgl. Brockhaus-KKL5 Bd. 1, S. 760-761)] [5] Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart von DR. HEINRICH GRAETZ, Leipzig 1900, Nachdruck Berlin 1996 bei arani, Band 11, Seite 297.
[6] Luise, Königin von Preußen, Gemahlin Friedrich Wilhelms III., geb. 10. März 1776 in Hannover, Tochter des Herzogs Karl von Mecklenburg-Strelitz, vermählt 24. Dez. 1793, Anhängerin der Reformpartei am Hofe, 1806/7 von Napoleon als Anstifterin des Krieges geschmäht, gest. 19. Juli 1810 auf Hohenzieritz in Strelitz. Ihre und ihres Gemahls Überreste im Mausoleum im Schloßgarten zu Charlotten- burg. Ihrem Andenken die Luisenstiftung in Berlin (zur Erziehung junger Mädchen) und der Luisenorden (für Damen, gestiftet 3. Aug. 1814 [Tafel: ? Orden]) gewid- met. – Biogr. von Adami (17. Aufl. 1903), Lonke (1903), von Petersdorff (1904). [Artikel: Luise. Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, S. 44869 (vgl. Brock- haus-KKL5 Bd. 2, S. 90-91)] [7] siehe [5], die Seite 298.
[8] siehe [5], die Seiten 252 und 253. [9] Synagogen Rheinland-Pfalz - Saarland, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2005, Seite 455. [10] „Die Liste der essbaren Tiere ist von der damals üblichen Viehzucht her bestimmt. Rind, Schaf und Ziege sind die den Menschen vertrauten und Gott angenehmen Opfertiere. Sie gelten vor allen anderen als mögliche Fleischquellen. Einige jagdbare, den Haustieren verwandte Arten, kom- men hinzu. Ausgeschlossen sind Kamel, Klippdachs, Hase und Wild- schwein.“ (Das dritte Buch Mose <Leviticus>, Übersetzt und erklärt von Erhard S. Gerstenberger, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, Seiten 123/24) Siehe auch 5. Mose 14, 4-21.
[11] Hans Liebeschütz, Synagoge und Ecclesia, Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1983, Seite 53.
ÜBER DEN AUTOR Der Autor, Jahrgang 1956, von seiner Ausbildung her ursprünglich aus dem Gebiet der Betriebswirtschaft kommend, ist nun mittlerweile seit über 30 Jahren mit verschiedenen Themenbereichen wie Sinologie, Theologie, Kirchengeschichte, Sozialismusgeschichte und auch anderen verwandten Wissenschaftsdisziplinen beschäftigt. So war er stets bemüht, vor allem einschlägige Literaturquellen aus der relevanten Zeit bei seinen gemachten Ausführungen mit einzubeziehen. Seit den Neunziger Jahren profitierte er als Alttestamentler von der Tatsache, dass zunehmend auch jüdische Titel entweder als antiquarische Bücher oder als Nachdrucke in den akademischen Buchhandlungen oder bei sonstigen Buchversendern angeboten wurden.
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