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Der Kulturkampf in Preußenvon Josef Theobald
VORWORT Folgender Beitrag ist eine Ergänzung zur „Geschichte der Arbeiterbewegung im Saarrevier“ (>)und soll die damaligen Dimensionen des Kulturkampfes beschreiben. So waren allein im Jahre 1878 8 Bistümer in Preußen vakant. Von den Verhaftungen und Amtsenthebungen waren 25 % der nur in Preußen agierenden Priesterschaft betroffen. Erst im August 1881 gelang im Bistum Trier die Wieder- besetzung des bischöflichen Stuhles durch Dr. Korum aus Metz, nachdem das Domkapitel das Recht zur Neu- wahl eines Bischofs nun dem Papst überließ. BEITRAG Die eigentlichen Auslöser für den Kulturkampf waren zwei Faktoren. Zum einen Teil verhinderte der Syllabus von 1864 die Anpassung an die Erfordernisse der modernen Zeit. Zum anderen Teil entfesselte das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen einen wahren Entrüstungssturm im nichtkatholischen Deutschland. Hier befürchtete man einen religiösen Absolutismus in einem unerträglichen Maße. Lediglich in katholischen Kreisen identifizierte man sich mit diesem Dogma, da man sich mit dem ausbreitenden Liberalismus konfrontiert sah. Besondere Härte im Kulturkampf fand man in Preußen vor. So verbot der reichsweite Kanzelparagraph vom 10. Dezember 1872 die Predigt zu politischen Zwecken. Das Reichsgesetz von 1872 verfügte die Auflösung von Ordensniederlassungen jesuitenähnlicher Orden zum Zwecke der Bekämpfung eines ultramontanen Geistes. Das Schulaufsichtsgesetz vom 11. März 1872 regelte die Weiterverwendung katholischer Lehrkräfte, die in Opposition zum Unfehlbarkeitsdogma standen. Die preußischen Maigesetze von 1873 verfügten eine Staatsaufsicht über alle kirchlichen Ausbildungs- stätten, die Ablegung eines staatlichen Examens beim Eintritt in den Priesterberuf, die Einschränkung der innerkirchlichen Straf- und Zuchtmittel und der Ausschluss des Papstes von der kirchlichen Diszi- plinargewalt in Preußen. 1874/75 wurde die Staats- hoheit bei den Passageriten (Geburt, Eheschließung, Tod) durch Einführung der Zivilstandsgesetzgebung in Preußen und im Reich sichergestellt. Letztendlich führte das Sperrgesetz vom 22. April 1875 zu einer Einstellung der Staatsleistungen an die Kirche. Der Kulturkampf stärkte allerdings den Zusammenhalt der katholischen Teilgesellschaft. Jede Verhaftung oder Amtsenthebung eines Bischofs, jede staatlich verfügte Schließung eines Seminars oder Konvikts führte zu einem engeren Zusammenrücken der Katholiken. So reifte die katholische Zentrumspartei zu einer wirkungsmächtigen Partei für die konfessionelle Sache mit einer breiten Wählerklientel heran. Die Bindungen an Rom und an die deutschen Bischöfe wurden eher gestärkt. Bei den Reichs- tagswahlen 1878 wurde das katholische Zentrum mit 94 Abgeordneten und zehn Hospitanten stärkste Fraktion. In Preußen lag man 1879 als Partei hinter den Konservativen an zweiter Stelle. Auch nach der Beilegung des Kulturkampfes nach dem Wechsel des Pontifikats zu Leo XIII. sollten weiterhin das Stigma der Reichsfeindschaft und die religiöse Intoleranz anhaften. Auch in den Strukturen der katholischen Subgesellschaft waltete eine eigene Logik. So reagierte man mit Hilfe des Vereinswesens auf die Kluft zur nichtkatholischen Welt, was in Wirklichkeit eine adäquate Antwort auf die moderne Industrie- und Kulturgesellschaft war. Hinzu kamen die Abwehrreaktionen von konservativ-katholischen Kräften, welche dem Anschluss an die moderne Welt auch prinzipiell misstrauten. Noch schwor der am 1. September 1910 eingeführte Antimodernisten-Eid alle in der Seelsorge und Lehre tätigen Kleriker auf das 1870 verkündete unfehlbare Lehramt des Papstes und auf ein Lehrsystem nach den philosophisch-theologischen Maßstäben der Scholastik neuerer Prägung ein. Doch mit der Zeit beruhigten sich die Fronten. Die katholische Bevölkerung sollte allmählich in die nationale Stimmungs- und Empfindungswelt des Kaiserreichs hineinwachsen und die aufkommende monarchistische Gesinnung brachte sie mit den nichtkatholischen Antagonisten vielfach auf den selben Boden. ANMERKUNGEN Mit dem „Syllabus errorum“ ist ein Verzeichnis der 80 Zeitirrtümer aus dem Jahre 1864 gemeint, das von Papst Pius IX., der von 1846 bis 1878 amtierte, veröffentlicht wurde und eine General- abrechung mit den Anschauungen des modernen Staats-, Sozial- und Geisteslebens darstellte. Der „Antimodernisten-Eid“ wurde von Papst Pius X., der von 1903 bis 1914 amtierte, ins Leben gerufen und war gegen die Reform- tendenzen in der katholischen Theologie und Kirche gerichtet. Erst im Jahre 1967 wurde diese Zeremonie abgeschafft, die ursprünglich eine Voraussetzung für die Erlangung höherer Weihen war. Mit „Scholastik“ ist die Schulwissenschaft gemeint, die auf die Bibel, die Kirchenväter und die auf die Philosophie des Aristoteles aufbauende christliche Philosophie bzw. Theologie des Mittelalters zurückgeht, wie sie zur damaligen Zeit an den Klosterschulen, Domschulen und Universitäten gelehrt wurde. LITERATURHINWEIS Als Vorlage diente neben kirchenhistorischer Werke das Buch von KURT NOWAK mit dem Titel „GESCHICHTE DES CHRISTENTUMS IN DEUTSCHLAND“ (Religion, Politik und Gesellschaft vom Ende der Aufklärung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts), erschienen bei Verlag C. H. Beck, München 1995, die Seiten 149 – 158. Josef Theobald
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